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Kohleausstieg – Neues Institut für Strukturwandel entsteht in Halle.

Der Kohleausstieg in Deutschland bis 2038 ist beschlossene Sache. Den deutschen Kohlerevieren, aber auch dem Rest des Landes stehen deshalb gravierende Änderungen bevor. An der Universität entsteht ein Institut für Strukturwandel und Biodiversität in der Bergbaufolgelandschaft, das diesen Prozess erforschen und begleiten möchte.

Wie gelingt der Strukturwandel?

Auch wenn Prognosen immer mit einer großen Portion Unsicherheit versehen sind, in einer Sache ist sich der hallesche Humangeograph Prof. Dr. Jonathan Everts sicher: Der Ausstieg aus der Kohleförderung und der Verzicht auf fossile Rohstoffe als Energiequelle werden die Welt verändern. „Wenn die grundlegende Ressource, über die wir unsere Energie beziehen, ersetzt wird, revolutioniert das die komplette Gesellschaft“, sagt er. Das zeige ein Blick in die Geschichte, etwa auf den Übergang von Holz zu Kohle als Energieträger. Mit einem Mal waren Strom und Wärme nicht nur für einzelne Personengruppen verfügbar, sondern zum Beispiel für weite Teile einer Stadt. Nebenbei hat die Kohleförderung auch eine Reihe von Entwicklungen und Erfindungen hervorgebracht, ohne die die Welt von heute nicht denkbar wäre: „Die Dampfmaschine wurde entwickelt, um das Wasser aus den Kohlebergwerken nach oben zu befördern“, sagt Everts. Eine Erfindung, die – dank der Kohle – den Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert einläutete.

Ähnliche Umbrüche könnten uns auch heute bevorstehen, meint der Forscher, der das Institut in seiner Gründungsphase gemeinsam mit der Ethnologin Prof. Dr. Asta Vonderau und dem Wirtschaftsjuristen Jun.-Prof. Dr. Azar Aliyev leitet. Neben der MLU selbst unterstützt der Förderverein Pro Halle diese Phase mit zusätzlichen Mitteln. Die Idee für das Institut kommt nicht von ungefähr: Die sogenannte Kohlekommission, ein beratendes Gremium der Bundesregierung zur Ausgestaltung des Kohleausstiegs, hatte in ihrem Abschlussbericht 2019 empfohlen, die MLU mit einem solchen Institut auszustatten. Und auch die Zielvereinbarung zwischen der Universität und dem Land Sachsen-Anhalt 2020-2024 sieht die Institutsgründung vor. Die Einrichtung soll den Strukturwandel in der Region wissenschaftlich begleiten und auch Vorschläge für die weitere Ausgestaltung liefern.

Das Kohle-Aus ist noch aus einem weiteren Grund etwas Besonderes: „Erstmals ist es eine bewusste Entscheidung, dass unsere Gesellschaft auf einen Energieträger verzichtet“, sagt Everts. Dahinter steht das Ziel der sogenannten Dekarbonisierung. Gemeint ist damit, dass langfristig nicht mehr Kohlenstoffdioxid freigesetzt werden soll als durch verschiedene Maßnahmen wieder gebunden werden kann. Dabei gehe es nicht nur um die Förderung fossiler Brennstoffe, sondern zum Beispiel auch um die nachhaltige Einsparung von Kohlenstoffdioxid, etwa bei der Produktion von Baustoffen wie Zement. Dieser Prozess betrifft perspektivisch die ganze Bevölkerung, unabhängig von Wohnort oder Beruf, ist sich Everts sicher. Ein Beispiel: Eine mögliche Alternative zu Zement könnte ausgerechnet Holz sein. Seit einigen Jahren wird in speziellen Werken daran gearbeitet, neue „Hightech-Hölzer“ zu produzieren, die für den Hausbau eingesetzt werden können und die Zement in puncto Beständigkeit und Sicherheit in nichts nachstehen. Fällt Zement als Baustoff perspektivisch weg, müssen ganze Industriezweige sowie Arbeitnehmerinnen und -nehmer umdenken. Oder auch Menschen, die ein Haus bauen wollen. (…)

Aus der Redaktion, im Original erschienen auf www.campus-halensis.de, Foto/Grafik: Markus Scholz

Halle (Saale) // 22.01.2021